giovedì, aprile 23, 2009

....selektive Wahrnehmung....

Ich schalte den Fernseher kurz nach 20 Uhr ein und setze mich in einen Sessel; die Tagesschau im Ersten Deutschen Fernseher läuft und es geht, wie sollte es für den Exportweltmeister Deutschland anders sein, um die Wirtschaft....Exporte brechen ein, Opel kollabiert, die Bundeskanzlerin Merkel meldet sich zu Wort....usw. usf. ....nach 2-3 Berichten schalte ich auf den nächsten Sender um....dem zweiten österreichischen Staatsfernsehen.

Im ORF 2 läuft gerade meine Lieblingssendung....das Seitenblicke-Magazin (Posting: 15.01.2007)....durch das Bild irrt Alfons Mensdorff-Pouilly, frisch aus dem Gefängnis entlassen und schon in den Kreis der Erlauchten, Noblen und Superreichen zurückgekehrt....ausgiebig darf er sich über seine Gefängniserlebnisse äußern, während der "von und zu" Karl Hohenlohe mit der Gabel ein Stücken Gourmet-Leckerbissen in seinen, ausnahmsweise mal nicht sprechenden, Mund, zu manövrieren versucht....es gelingt ihm schließlich auch....wohl der Höhepunkt des investigativen Journalismus beim ORF....diesem ORF gelingt es wiedereinmal mit Steuergeldern die wirklich wichtigen Persönlichkeiten des Landes ins gute Licht zu rücken....(fehlte eigentlich nur noch der Andreas Treichl und seine Frau um das Ganze in bekanntlich objektiver Weise abzurunden)....

Ich schalte weiter und ende beim provinziellen Sender, wo die Provinz-Tagesschau ausgestrahlt wird....die Umfahrungsstraße, die Schließung einer karitativen Einrichtung....wenn man jedliches Interesse am Leben verloren hat, denke ich mir, dann ist es wohl am Besten man schaut die provinzielle Tagesschau....länger als dreißig, vierzig Sekunden kann man dass beim besten Willen nicht mitverfolgen....und nur so nebenbei....eine Bekannte hat mir vor kurzem bezüglich provinzieller Tagesschau gesagt, dass sie es in 30 Jahren noch nie erlebt hätte, dass irgendein Verantwortlicher in der Provinz für was auch immer, in dieser provinziellen Tagesschau kritisiert worden wäre....im Mittelalter war es wohl nicht viel anders....damit ist dieser Bekannten immerhin schon etwas aufgefallen (das Kritiklose), was anscheinend die allermeisten Provinzbewohner noch nie bemerkt haben und nie bemerken werden....

Ich mache etwas, was ich so gut wie nie mache....ich schalte von digitalen Empfang auf analogen Empfang um....

Erster Sender ist das erste italienische Staatsfernsehen, RAI 1; auch dort läuft die italienische Form der Tagesschau und in dem Moment wo ich auf diese Tagesschau umschalte, ist im Bild ein stehender Mann zu erkennen, welcher, seine Augen mit einer supercoolen Sonnenbrille verdeckend, in das Mikrofon eines Reporters spricht....es geht um das Erdbeben in L´Aquila und es handelt sich bei dem Mann wohl um einen Bauunternehmer....also einen, welchen man mit guten Recht als einen bezeichnen kann, der auf "Kosten der Anderen" reich geworden ist....und es kommt schon zu der letzten Frage des Reporters, welcher den Mann fragt, ob dieser angesichts der vielen Toten/den Folgen des Erdbebens Probleme mit seinem Gewissen hätte und der Mann blickt mit seiner Sonnenbrille in die Kamera und antwortet....nein, überhaupt nicht....eine dreiste, unverschämte Chuzpe, wie man eine solche in dieser Ausprägung, beinahe schon jahrelang suchen muss, um eine zumindest ähnlich degenerierte Aussage zu finden....unverfroren, kalt, abgeklärt....eine aalglatte Überheblichkeit, die für mich, der die Aussage mitverfolgte, eigentlich nur bedeutete....kommt nur, wer kritisiert, bekommt es mit uns zu tun....wir haben das Geld, also die Macht....die armen Menschen....welche armen Menschen?

Im nächsten Augenblick endete das Interview und das Bild wechselte zu einem Reporter, welcher vor einigen Zelten live zu dem Fernsehpublikum sprach....es war Nacht und schlechtes Wetter....und dieser Reporter verzog einen Bruchteil von einer Sekunde sein Gesicht und ein, zwei Sekunden später begann er zu sprechen, holte ihn die Routine des abgebrühten Reporters zurück zur Normalität und berichtete dieser dann über einen anderen Aspekt des Erdbebens....und doch konnte man in diesem Bruchteil einer Sekunde nach Ende des Berichts (welches am Tage bei schönem Wetter aufgenommen wurde) erkennen, als der Reporter sein Gesicht verzog, was der Reporter selbst von dieser Aussage hielt....es war eine Stellungsnahme, welche genau dass hervorstrich, was Menschen wie diesen Bauunternehmer, auszeichnet....
....es war wirklich "capitalism at its best"....

Ich schaltete den Fernseher drei, vier Sekunden später aus.